Sachverständigengutachten von Mag. Michael Larcher

Erstattet in der öffentlichen Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Innsbruck in der Strafsache L., P. und S. am 21.9.2000

(Jamtallawine vom 28.12.1999)

Anm.: Der Text entspricht wörtlich dem amtlichen Protokoll der Hauptverhandlung. Lediglich die Namen der Angeklagten wurden durch die Initialen L., P. und S. ersetzt. Ebenso die Namen der beiden Bergführer der nicht verunfallten Gruppen G. und B.

Die Zusammenfassung des schriftlichen Gutachten findet sich hier.

Der Sachverständige Mag. Michael LARCHER

Personalien gerichtsbekannt, an den SV-Eid erinnert, erstattet sein Gutachten wie folgt:

Es ist eindeutig festzuhalten, dass die Gefahrensituation, die sich am 28.12.99 im Bereich der Jamtalhütte einstellte auch von Ende November bis Ende April vorzufinden ist. Es erübrigt sich der Hinweis, dass die letzten Großereignisse betreffend Lawinen, die fast zur Zerstörung der Hütte am 22.2.1998 führten zur klassischen Öffnungszeit, nämlich Ende Feber erfolgten, wenn die Hütte ohnedies geöffnet ist.

Weiters zur Frage, inwieweit Ausschreibung und Programm im Hinblick auf das Unglück zu sehen sind:

Dazu hätte ich nicht viel zu sagen gehabt, aber nach der Darstellung von heute habe ich hinzuzufügen, dass zunächst die Ausschreibung dem entspricht, was von 100en Bergsteigerschulen angeboten wird. Es sind keinerlei ungewöhnliche Sachen zu finden. Es ist das Programm dieser Gruppe ausgeschrieben und entspricht dem üblichen Programm in diesem Gebiet. Die Anforderungen an die Kondition sind ausreichend. Eine Scliihochtourenwoche setzt voraus, dass keine Anfänger im alpinen Schilauf zu erwarten sind. Etwas anderes ist es mit den Schneeschuhwanderern. Zunächst sind die Anforderungen seriös eingeschätzt. Es werden 5 bis 7 h eingeschätzt, schon mit dem Hinweis, dass Schneeschuhgehen anstrengender sein könnte, als Schilaufen.

Es kann nicht vermittelt werden, was das heißt, 5 bis 7 h mit Schneeschuhen zu gehen. Das kann man nicht mit einer Bergwanderung im Sommer vergleichen. Es ist zweifelhaft, ob der Stützpunkttermin und das Ziel für dieses Zielgruppe ideal sind, insbesondere die zu erwartende Anmeldung von Teilnehmern ohne Erfahrung im Winterbergsteigen. Das hat sich im Verlauf des Verfahrens gezeigt. Da melden sich Leute, die keine Wintererfahrung haben und für die das Sportgerät Schneeschuh ein neues Sportgerät ist und sie damit den ersten Kontakt herstellen.

Zur Verantwortung der Tourenleiter ist zu sagen, dass sie ausgebildete Führungskräfte und staatlich geprüfte Berg- und Schiführer sind bzw. Bergführeranwärter. Sie besitzen den größten Ausbildungsstand, dazu kamen außergewöhnliche Gebietskenntnisse der Kursleiter. Auch durch die Herren L., P. und S. (Anm.: die angeklagten Bergführer) und auch die außergewöhnlichen Gebietskenntnisse durch den Bergführer G. Der Unerfahrenste im Team war B. (Anm.: G und B sind die Bergführer der beiden nicht verunfallten Gruppen), der seine Praxiszeit durchläuft, es ist auch rechtens, einen Bergführeranwärter für solche Dinge einzusetzen.

Zunächst wurde die Einteilung gemacht, die Schifahrer von den Schneeschuhwanderern getrennt. Dazu ist nicht viel zu sagen. Interessant ist für mich die Größe der Gruppen. Es gibt mehr oder weniger inoffizielle, Vereinbarungen über die Gruppengröße, diese mit 8 Teilnehmern für Schihochtouren und Hochtouren mit Schneeschuhen auf 8 Teilnehmer zu begrenzen. Dies kann schon variieren. Ideal wären 6 Teilnehmer bei Schigruppen. Die Gruppe von P. hatte 9 Teilnehmern, die Gruppe GUNDELACH 10 Teilnehmer, was eigentlich zu groß ist. Es ist für mich kein Argument, warum man bei geführten Schneeschuhgruppen im Hochgebirge andere Empfehlungen zur Größe der Gruppen zugrunde legen soll, als bei Schigruppen.

Ein wichtiger Punkt ist die Bewertung der Sorgfalt hinsichtlich der gewählten Notfallausrüstung. Es ist eindeutig belegt, dass alle Tourengeher und Bergführer mit Suchgeräten ausgerüstet worden sind, das ist heute Standard. Es waren nicht alle mit Schneeschaufeln ausgerüstet. Es ist inzwischen doch eindeutig anerkannt, jeder Tourengeher soll eine Schaufel und ein LVS-Suchgerät mit haben. In einigen Gruppen ist das Verhältnis Schaufeln zu Teilnehmer fast die Hälfte, 2 Teilnehmer und eine Schaufel, gewesen. Zu dieser Kritik an den Schaufeln ist noch hinzuzufügen, dass im gegenständlichen Fall bei den Rettungsmaßnahmen dieser Mangel an Schaufeln nicht zu Verzögerungen geführt hat. Insofern bestand kein Zusammenhang zwischen dem Fehlen einiger Schaufeln und der Zeit die benötigt wurde um alle Verschütteten freizulegen.

Zu Sonntag, den 26.12.99:

Wenn man die Wetterentwicklung ansieht (der SV zeigt eine Overheadgrafik vor), bis Donnerstag herrscht hochwinterlicher Hochdruckeinfiuss mit Inversionlagen und relativ milden Temperaturen. Am Freitag/Samstag setzt sich eine Störung durch infolge' mehrerer Störungen in rascher Folge. Das ist die Messstation ca. 7 km von der Jamtalhütte entfernt. In diesem Fall 20 cm Niederschlag. Der Schneefall bei der Hütte setzt laut L. (Anm.: Hüttenwirt) erst am Nachmittag ein.

Aufgrund der bis Sonntag Mittag geringen Neuschneemenge war die Gefahr von spontanen Lawinen, die den Bereich der Jamtalhütte gefährden hätten können gering bzw. auszuschließen. Aus Sicht der Lawinengefahr und vom Informationsstand des Hüttenwirtes und des Stützpunktleiters her zweifelsfrei zu verantworten.

Diesen Vorwurf durch einige Gruppenmitglieder, durch diese Angst und diese Unsicherheit, weil die Sicht nicht mehr gegeben war, betreffend diese Situation konnte in diesen Tagen nicht entlastet werden. Es bleibt nach wie vor bei der Behauptung, wenn P. bei den gegebenen Verhältnissen zuließ, dass unbekannte Gruppenmitglieder ausser Sicht geraten widerspricht das den Grundprinzipien. Die subjektive Wahrnehmung der Betroffenen ist 100 %ig ernst zu nehmen. Sie waren in Sorge.

Zum Montag, den 27.12.99, Tour zum Finanzerstein, war diese Tour bei diesen Verhältnissen gerechtfertigt:

Erst ist der Lawinenbericht auf Stufe 4 gegangen, da gibt es nur 5 Klassen. Für Tirol war 3 und 4 gegeben, 4 für die Silvretta.

Der Sachverständige zeigt dazu ein Overheadbild vor.

Im wesentlichen gibt es drei Punkte, die aktuelle Lawinensituation, die Verhältnisse und das Gelände und die aktuellen Wetterverhältnisse.

In diesem Fall, beim Gelände zum Finanzerstein, das kann man als typisches Schlechtwetterziel bezeichnen. Man muss keinen einzigen Steilhang begehen. (Der Sachverständige zeigt die von S. bezeichnete Stelle vor). Der auf der Karte nicht zu ermittelnde Hang ist eine Böschung innerhalb von 20 Höhenmetern. Es kann schon sein, dass ein Schneeschild bestanden hat, das die Maßnahmen der Abstände gerechtfertigt erscheinen läßt.

Bei Stufe 5 darf man nicht zum Finanzerstein gehen. Bei Stufe 4 ist der Finanzerstein ein mögliches Ziel. Bei Stufe 3 ist eindeutig festzuhalten, dass ist ein an diesen Tag absolut angepasstes Ziel, zu dem noch der Hintergrund passt, dass man ein neues Sportgerät einführen will, auch die Schlechtwetterprognose passt und, dass es auch möglich gewesen wäre, die Tour fortzusetzen bis zum Gipfelziel hin.

Zur Frage der Einhaltung eines Programmes:

Diese Programme haben keinen bindenden Charakter, eher einen leicht animativen Charakter im Sinne von Stimmungsmache und Werbung machen. Welche Reihenfolge der Tourengeher wählt ist ohne Bedeutung. f)en Rußkopf für den zweiten Tag zu wählen ist schlüssig. Es gibt nicht viele Schlechtwetterziele in diesem Bereich, den Finanzerstein und weiter das Jamtal Richtung Rußkopf Im Bereich der Heidelbergerhütte hat man 4 bis 5 Touren die man bei solchen Verhältnissen machen kann.

Zum Futschölpass ist man nicht gegangen, weil man nicht die Leute zwei Tage hintereinander in die selbe Spur führt und ins selbe Gelände.

Zusammenfassend ist das Ziel Finanzerstein als Schlechtwetterziel aufgrund der schlechten Verhältnisse und Erfahrungen vom, Vortag richtig gewählt und eindeutig zu verantworten. Die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen wurden von allen Gruppen durchgeführt.

Zum Dienstag, den 28.12.99:

Das Tourenziel Rußkopf hängt wie alle weiteren Betrachtungen mit der Frage zusammen, welche Gefahrenstufe tatsächlich an diesem Tag im Tourengebiet der Jamtalhütte herrschte.

Welche Gefahrenstufe herrschte tatsächlich am 28.12.99, womit mussten die Verantwortlichen rechnen, als sie dieses Ziel als Tourenziel ins Auge fassten.

Dies führt zu der Frage des tatsächlichen Neuschneezuwachses im unmittelbaren Zusammenhang mit der Temperatur, dem Schneezuwachs am Abend. Beim Niederschlag fällt auf, dass es große Unterschiede zwischen den Wahrnehmungen der Bergführer über Neuschneemengen und den amtlich gemeldeten Neuschneezuwächsen gibt. Das beginnt schon am 25.12.99 als L. in der Früh hörte Stufe 3, Niederschlag 20 bis 30 cm und sofort denkt, das war bei uns weniger.

Da beginnt schon dieses Auseinanderdriften zwischen Schneezuwachs in der Region und den Schneemeldungen und Mitteilungen über die Gefahrenstufe.

3-Tagessumme hinsichtlich Neuschneezuwachs:

Der Lawinenwarndienst Tirol meldet in Summe bis 80 cm. Die Bergführer und der Wirt kommen auf ca. 30 cm.

Ich wurde das auf 30 bis 40 cm bewerten, der Lawinenwarndienst meldet 40 bis 80 cm. Der untere Punkt nähert sich an. (der Sachverständige zeigt eine Grafik auf dem Overheadprojektor).

Ich würde das so sehen, dass zunächst im Jamtal die Neuschneemengen die geringsten sein müssten, nach den Darstellungen. Dass sich einzelne Punkte deutlich unterscheiden ergibt sich aus der Aufstellung der Messtationen und des Beobachters bei der Heidelbergerhütte. Der Lawinenwarndienst Vorarlberg hat 40 bis 80 cm gemeldet.

Trotz Windeinfiuss ist ein Bergführer über 3 Tage in der Lage, einigermaßen verlässliche Angaben über Neuschneezuwächse zu machen, insbesondere, wenn es 5 Bergführer sind.

Die Übereinstimmung dieser Angaben ist doch auch von den Teilnehmern in der Summe eher bestätigt worden, die Hüfthöhen und Brusthöhen sind Streichresultate, aber auch die Höhe oberer Schuhrand. Es dürfte sich eine Neuschneehöhe irgendwo im laufe des Unterschenkels angesammelt haben. Ich kam zu der Überzeugung, dass in diesen 3 Tagen tatsächlich ein Neuschneezuwachs von 30 cm (untere Grenze) oder 40 cm (obere Grenze) als tatsächlich vorhanden zu werten ist. Ich habe starke persönliche Erfahrungen, ich bin jedes Jahr 2 Wochen auf der Heidelbergerhütte unterwegs. Da gehört es zu der wiederholten Erfahrung, dass .Bergführer, die Durchquerungen machen, berichten, im Bereich der Jamtalhütte hätte es viel mehr oder viel weniger Schnee als bei der Heidelbergerhütte oder umgekehrt. Das ist eine durchaus selbstverständliche Erfahrung, wie sich von einem Tal zum anderen über 7 km ein unterschiedlicher Neuschneezuwachs ansammelt. Noch ein Indiz dafür, dass eine Obergrenze von 30 bis 40 cm real ist, sind Fotos, die zwei Tage später gemacht wurden. Da kann ich ,abschätzen, ob es 80 cm oder deutlich weniger gewesen sein müssen.

Zur Lawinenwarnstufe, ob 3 oder 4:

Stufe 4 ist laut Definition so festgelegt:

Lawinenauslösung bei geringer Zusatzbelastung an den meisten Steilhängen wahrscheinlich, fallweise spontane Auslösung mittlerer, mehrfach auch großer Lawinen zu erwarten.

Stufe 3:

Lawinen bei geringer Zusatzbelastung an Steilhängen möglich, fallweise mittlere, vereinzelt große Lawinen möglich.

Stufe 4:

Ist ein Qualitätssprung im Risikofeld abseits der Piste. Der wesentliche Unterschied ist, dass man mit spontanen Lawinen rechnen muss.

Für diese Stufe ist eben das Kriterium, dass spontane Schneebrettabgänge, vor allem angestiegen sind.

Es müssen Sichtverhältnisse geherrscht haben, die das ermöglicht hätte zu erkennen. Von keinem Bergführer und keinem Teilnehmer wurden derartige Zeichen erkannt. Daher hat eindeutig im Tourengebiet Jamtal nicht die Gefahrenstufe 4 geherrscht. Sehr wahrscheinlich, mit Sicherheit ist aus meiner Sicht festzuhalten, dass die Gefahrenstufe mit 3 bis 4 richtig bewertet ist.

Nach den Informationen in den letzten 2 Tagen muss ich das noch etwas nach unten rücken und mich formell anschließen, es war ein gespannter 3er, auf der gefährlicheren Seite. Wenn ich das mit dem Risikopotential bezeichnen will, Stufe 4 wäre 16, Stufe 3 wäre 8,, Stufe 3 bis 4 wäre 12. Davon bin ich in meinem Gutachten ausgegangen, ich revidiere das auf ca. 10.

Mittlerweile ist allgemein bekannt, das Bergführer die Pflicht haben die Stufe zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.

Hinfällig wurde die Frage, warum sich keiner um den Lawinenlagebericht gekümmert hat. Es war nicht erkennbar, wer davon wusste und wer nicht, nur, dass das Faxgerät nicht funktioniert hat, dass der Hüttenwirt das telefonisch eingeholt hat und an L. weitergegeben hat.

Es kommt jetzt dazu, dass es wirklich Schwierigkeiten wegen der Kommunikation gab, das ist für mich schwer nachvollziehbar, dass ein Bergführer diese Information bekommt und nicht weitergibt, sodass Bergführerkollegen nicht wissen, dass ihr Kollege die amtliche Gefahrenstufe kennt. Das ist eine greifbare Kommunikationsschwäche.

Die Setzungsgeräusche sind hinsichtlich der Gefahrenstufe relativ unbedeutend, das ist auch bei Stufe 3 so.

Der Sachverständige zeigt auf dem Overheadprojektor eine Geländercharakteristik vor.

Der Unglückshang ist die allgemein übliche Route (der Sachverständige zeigt vor, wo das Unglück mit dem schweizer Bergführer war). Von dieser Stelle kann man sich gut entfernt halten. Im felsigen Bereich sind Böschungen anzunehmen, wo Triebschnee durchaus ein Thema sein könnte. Dann kommt wieder absolut flaches Gelände, wo eine Lawinenauslösung nicht möglich ist. Die Rußkopftour kann man bei Stufe 5 nicht machen und bei Stufe 4 auch nicht. Das unterscheidet sie von der Tour zum Finanzerstein. Bei Stufe 4 ist mit Spontanlawinenabgängen zu rechnen. Ich kann nicht ausschließen, dass hier Lawinen ohne Auslösung kommen. Ich bin auch im Flachen bedroht.

Zur Sache mit Munter:

Es wurde die Frage nach einem Rechenbeispiel nicht beantwortet. Von den dazu Befragten wurde das so dargestellt, als hätte man mit der Muntermethode die Gefahrenstufe errechnet. Das geht mit dieser Methode nicht. Ein Restrisiko wird da errechnet. Bei dieser Situation hier kann man sich das sparen, da die Anwendung der Risikoformel nur bis Gefahrenstufe 3 zulässig ist. Die elementare Reduktionsmethode empfiehlt bei Stufe 4 auf 3 Grad zu verzichten. Bei der Rußkopftour komme ich nicht in so ein Gelände. Ich brauche da keine Spitzkehren machen. Damit würde Munter ausreichend dargelegt sein, ich muss keine Rechnung anstellen. Dies funktioniert auch nicht, wenn ich den Unfallshang hernehme. Selbst, wenn ich den Hang nicht als 40-Grad-Hang erkenne, bei einem Reduktionsfaktor von 2 ist das immer ~ Bei Entlastungsabständen ist das immer noch größer als 1.

Wenn es allen Expositionen gefährlich ist, komme ich nicht auf 1. Mit Munter gerechnet kann ich nicht auf dieses Restrisiko kommen. Der Exkurs ist notwendig, um diese Sachen zu bewerten. Ich habe darauf hingewiesen, dass dieses Buch im Dezember 1997 erschienen ist. Das war zwei Jahre alt, dass diese ganze Methode überhaupt das erste mal einer größeren Gruppe zugänglich war.

Ich selbst bin vor 3 Jahren das erste Mal damit konfrontiert worden. Bis heute gibt es darüber einen Expertenstreit, wobei einerseits diese Methode völlig abgelehnt wird und es andererseits Anhänger dieser Methode gibt. Das hält sich die Waage. Eindeutig festgehalten werden kann, die Muntermethode ist keine standardisiertes Instrument bei der Entscheidung ob ich einen Hang gehe oder nicht. Es gibt einen Expertenstreit darüber, ob eine konsequente Anwendung der Muntermethode ein höheres Risiko bringt, als wenn sie nicht angewendet wird. Hier ist ein Entscheidungsinstrument in Diskussion.

Bei den Bergführern ist ein Paradigma zu sehen. Der Bergführer geht aufgrund seines Ausbildung und Erfahrung hinaus und schaut sich das an und beurteilt das.

Zum Tourenziel Rußkopf:

Ausgehend von dem am Abend des 27.12. bzw. Morgen des 28.12. vorliegenden Informationsstandes über die lokale Lawinengefahr und unter Berücksichtigung der umfassenden Ortskenntnis der Bergführer ist das gewählte Tourenziel Rußkopf auch unter Berücksichtigung der Wetterprognose als ein an die Verhältnisse angepasstes zu werten. Ich kann die Begeisterung der Bergführer für den Wetterbericht nicht nachvollziehen. Der schweizer Wetterbericht hat im wesentlichen schlechtes Wetter vorhergesagt.

Es ist klar eine dramatische Wetterverschlechterung herauszuerkennen. Der tiroler Wetterbericht hätte genauer zugetroffen.

Zur ersten Begehung des NW-Hanges:

Der erste Nordwesthang ist auf der Karte kaum zu erkennen. Man muss sich Mühe geben um diesen zu erkennen und die Steilheit herauszulesen. Das ist völlig ohne Bedeutung. L. hat ihn 150 mal begangen die anderen zwischen 50 und 100 mal. Dann ist es völlig unnötig und unnormal, noch einmal zur Karte zu greifen wegen der Hangsteilheit, wenn ich das optisch einschätzen konnte. Wenn man versucht, die Hangneigung herauszulesen kommt man auf 40 Grad.

Zum Argument der Bergführer ,,Sicherheitszeichen":

Der Nordwesthang im Luv ist ein Zeichen, dass ich aus meiner Sicht noch als Argument hinzufüge.

Dem gegenüber steht Neuschnee als Gefahrenzeichen, starker Wind, tiefe Temperaturen. Dann habe ich eine angespannte Situation, diese wurde auch erkannt.

Wenn man diese Argumente durchgeht kommt man zu einem klaren Bild. Das Argument, dass das die übliche Spur ist, kann für einen Profibergführer nicht eine Rechtfertigung sein, auf Gefahreneinschätzung zu verzichten, oder dafür, einfach alle Sicherheitsbemühungen auszulassen. Gleichzeitig ist die Standardlinie sicher. Es stehen nicht zwei gleichwertige Spuren zur Verfügung. Erst wenn eine dramatische Situation ist, weicht man auf die Ausweichroute aus.

In jedem Grundkurs lernt man, schneearme Winter sind unfallreiche Winter. Weniger Schnee heißt grundsätzlich ungünstige Aufteilung der Schneedecke und dadurch Gefahrensituation, ähnlich wie Felsen die aus der Schneedecke herausragen.

Es ist unzutreffend, einzelne Felsblöcke als Verankerungen der Schneedecke zu sehen. Das steht in den Lehrbüchern. Sie schwächen die Schneedecke. Das ist der Weg vom Lehrbuch in die Praxis. Wenn ich beide Argumente hernehme, geringe Gesamtschneemenge und viele Blöcke, kann ich das nur als ein starkes Argument gelten lassen, wegen der großen Dichte. Da sind viele Steine vorhanden, das ist eine große Dichte, das ist sehr wohl als ein Zeichen für Sicherheit anzunehmen. Wenn die Gesamtschneemenge so gering ist, wenn der Untergrund herausschaut, das ist ein Zusammenspiel dieser Faktoren. (Der Sachverständige zeigt ein Bild vor, das 48 h nach dem Unfall aufgenommen wurde). Ich behaupte, dass es in diesem Fall einfach sehr sehr naheliegend war, hier die hohe Anzahl der Felsblöcke in Kombination mit der geringen Gesamtschneemenge als Sicherheitszeichen zu werten. Es musste der trügerische Eindruck entstehen, dass es keine großen zusammenhängenden Flächen gibt, die Schneebretter ermöglichen.

Was als Sicherheitszeichen noch zu deuten war, ist die Exposition dieses Hanges. Bei vorherrschender NW-Windlage ist dieser Hang dem Wind ausgesetzt, sodass eher schon erodiert wird, als hineingeweht wird. Schneeverwehungen können auch entlang des Hanges sein. Kleinräumig eine Leestelle. Bei dieser Wetterlage ist eher Erosion zu erwarten gewesen als Tiefschneelage.

Zu den Setzungsgeräuschen:

Ich habe das nicht feststellen können. Es war klar, dass ein Teilnehmer sie gehört hat, aber es war nicht erkennbar wo. Ich habe geschlossen, am ehesten bei der Tour zum Finanzerstein im Flachen, das wurde mehrfach bestätigt. Da ist ein flaches Tal, keine Sonneneinstrahlung, tiefe Temperaturen. Das Schwimmschneefundament ist groß, der Deckel geht natürlich ein paar cm in die Tiefe und ein Wummgeräusch entsteht. Das kann man provozieren, wenn man weiß, wo sie sind. In diesem Fall ist das Geräusch als Gefahrenzeichen eindeutig zu relativieren. Anders ist das im Lehrbuch. Wenn das im Flachen ist, kann ich davon ausgehen, das die Verhältnisse an dieser Stelle nicht unmittelbar zu übertragen sind auf den Hang. Die Lawine später bestätigt das auch. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Schwingungen im Schneefundament und Schneebrettern. Bei meiner Bewertung dieser ersten Querung am 28.12. um 9.00 Uhr ist die Begehung aufgrund sichtbarer Steine und Luvexposition als führungstechnisch gerade noch zu rechtfertigende Entscheidung anzusehen.

Dass die Kombination Neuschnee, starker Wind und tiefe Temperaturen auch hätten in Richtung Verzicht interpretiert werden können, diesen Absatz muss ich zurücknehmen. Die Aussagen von B. waren klar, dass diese Erfahrungen die er gesammelt hat, beim Begehen in keiner Weise dazu geführt haben, dass er irgendeine Gefahr erkannt hat. Ich bleibe bei der Behauptung, dieses absolute Sicherheitsgefühl, welches von den Bergführern L., P. und S. zu jeglichem Verzicht auf Entlastungsabstände geführt hat, nicht nachvollziehbar ist und dieser Situation nicht angepasst war. Es handelte sich um die erste Begehung in diesem Winter. Es war ein völlig frischer Hang. Dieser ist von der Hütte aus nicht voll einsehbar. Die Rinne sieht man überhaupt nicht. Daher scheint mir doch augenscheinlich, dass aufgrund der allgemeinen Situation eines angespannten 3ers bei einem offensichtlich steilen Hang wo man nicht sicher sein konnte, was für Informationen auf einen zukommen, Entlastungsabstände von 10 bis 15 m der Situation angepasst gewesen wären.

Der Sachverständige zeigt ein Foto vom Aufstieg und vom Rückweg vor:

Das ist ein altes Bild. Es wir klar, dass ein anderer Winter vorliegt, das war 1997 als der Unfall mit dem schweizer Bergführer war. An diesem Moränenhang. Man sieht den Unterschied an den Steinen.

Bei dieser Situation würde ich den Hang nicht begehen. Es gibt große Neuschneemengen, deutlich mehr als 1/2 m.

L. legte die Spur im Hinblick auf den Rückweg relativ flach an, sodass man möglichst wenig Gegenanstieg hat, wenn man wieder zurückkommt. L. verzichtete auf Entlastungsabstände, hinter sich hatte er 6 Schitourengeher, dann kommt eine Stelle, die man links und rechts umgehen kann. Die Schitourengruppen sind am schnellsten. Dahinter sind B., P. und G. Man steuert den Rußkopf an. Jetzt wird die Wetterverschlechterung dramatisch, in dem Moment, als man die Kuppe erreicht. Das passt ganz gut mit den Wettermeldungen von der Wetterstation Ischgl/Palinkopf zusammen. Es war Wetterverschlechterung für 12.00 Uhr gemeldet.

Das Verhalten der Bergführer auf dem Rückweg läßt in einigen Details professionelle Umsicht durchblicken. Das Verhalten der Schitourengruppe war vorne einer und hinten einer, dass sie sich zusammenschließen und das Verhalten von GUNDELACH ist umsichtig, er wartete auf den jungen Bergführer, sie treffen die weiteren Entscheidungen zusammen.

Zum Zeitpunkt des Umkehrens im Gutachten:

Diese Kritik möchte ich abschwächen und sogar zurücknehmen.

Offensichtlich war diese Wetterverschlechterung sehr sehr plötzlich und in dieser Dramatik überraschend und der gewählte Zeitpunkt zur Rückkehr ist o.k., er ist richtig gewählt. Dass es bei diesem Rückzug schon etwas aus dem Standardprogramm hinausgeht, geht eindeutig hervor. Ein Indiz für die recht heftigen Verhältnisse, ist auch die Maßnahme die Gruppe stehen zu lassen und die Spuren zu suchen. Das sind sicher Maßnahmen, die einen gewissen Ernst der Situation zeigen, in der die Bergführer eine Zeit lang sehr gefordert waren.

Für mich ist das absolut glaubwürdig, ich gehe davon aus, dass herunten eine eindeutige Wetterbesserung war, eine plötzliche Entspannung. Wenn das ein Bergführer sagt, hat sich etwas getan. Während die Teilnehmer das erste Mal im Winter und nach dieser Anstrengung und diesem Wind sich in dieser Situation in einem Raum befinden, der sich nicht über ihre eigene Haut hinaus bewegt. Sie kämpfen mit der Erschöpfung, der Kälte und dem Schnee. Eine Wahrnehmung in diesem Bereich ist sehr schwierig.

Die Sicht war oft auch so (zeigt ein Bild vor mit schlechter Sicht). Das ist schlechte Sicht, da kann ich auch 1 km weit sehen, das heißt ,,diffus". Doch kann man hunderte Meter weit sehen, gleichzeitig sehe ich nicht, wenn 2 m vor mir die Böschung hinuntergeht. Das ist diffuses Licht und Streulicht. Wenn Wind und Neuschnee dazukommen ist das noch dramatischer.

Für mich ist erwiesen, dass die Hütte sichtbar war. Es ist wahrscheinlich, dass die Hütte zwischendurch immer wieder sichtbar war.

Die entscheidende Situation war natürlich dann, als sich die drei Gruppen wieder trafen, um diese letzte Querung zu machen. Es war so, dass die Schitourengeher gezwungen waren, die Felle wieder anzulegen. Bei schlechten Sichtverhältnissen treffen sich die Gruppen, fellen auf und es kommt zu dieser Besprechung der Bergführer, die keine Besprechung im Sinne einer Analyse dieses Hanges ist. Es geht um die Wetterentwicklung, dass das nicht erwartet wurde usw. Es gab keine Risikoanalyse. Die Spur war sichtbar, es gab keinen Zweifel darüber eine andere Entscheidung zu treffen als 4 1/2 h vorher.

Gefahrenzeichen/Sicherheitszeichen:

Ein Indiz ist neu, das bei der ersten Querung nicht war. L., S. und P. hatten diesen Hang schon gequert. Sie sahen die Spur zur Hütte, diese war noch sichtbar.

Ich habe folgende Bewertung gezogen:

Dass sich in 4 1/2 h die Lawinensituation verschlechtern kann, das Gefahrenpotential zunehmen könnte, darüber muss der Bergführer Bescheid wissen, zumindest muss er davon ausgehen, dass hier ähnliche Windgeschwindigkeiten geherrscht haben könnten wie oben, über kurze Zeit. Eine Verdoppelung der Windgeschwindigkeiten heißt eine 8tfache Schneemenge die verfrachtet wurde. Allein dieser Umstand 4 1/2 h, war für mich nicht eine Rechtfertigung, die vorhandene Spur ist entscheidend. Auch hier ist der Hintergrund aus der Lawinenkunde. Das bedeutet keine Sicherheit in einem Hang, deswegen weil diese zufällig nicht kritische Punkte eines Hanges berührt haben können, die zur Auslösung führen könnten.

Der wirklich steile Teil des Hanges ist oben. Klar auch dieser Teil gehört zu diesem Hang (der Sachverständige zeigt das auf dem Overheadbild vor). Es zahlt der ganze Hang und die steilste Stelle. Gleichzeitig ist jedoch ein Sicherheitsargument, je weiter ich von dieser Stelle entfernt bin, ob ich oben quere oder am Hangfuß. Die Wahrscheinlichkeit der Auslösung steht im Zusammenhang mit der Steilheit.

Die Rinne läuft unten auf einen schwach ausgeprägten Rücken aus. Auch dieser Rücken musste als sicherheitstechnischen Zeichen gewertet werden. Ein Verzicht in der gegebenen Situation, die zu dem von dem Umstand der Hüttennähe beeinflußt sein musste, würde ich als übermenschliche Leistung qualifizieren. Wohl kein Bergführer würde nach der Geschichte dieses Tages, wenn er da steht und den Hang einsehen kann und die Hütte und die Spur sieht, die er 4 1/2 h vorher begangen hat, eine Verzichtsleistung machen und diese Schleife gehen.

Zum Verhalten bei der Querung:

Die Gruppen haben sich vermischt, daran ist nichts auszusetzen. Meine Kritik ist einmal jene, dass sich offensichtlich die Bergführer von der Magie der Hüttennähe etwas verzaubert nicht mehr in der Art und Weise gekümmert haben, wie sie es mussten. Es gab Probleme mit den Teilnehmern und dem Auflegen der Felle, weil immer wieder nicht klar war, wie es weitergeht.

Sie waren da recht verlassen. Dass der Bergführer vorausgeht und die. Spur wieder herrichtet, ich gehe davon aus, dass die Spur teilweise noch sichtbar, teilweise zugeweht war, dass dieser die Spur wieder präpariert ist o.k. Nicht gefallen tut mir, da kommen noch 15 Personen hinterher, die mehr oder weniger sich selbst überlassen sind. Es hätte hier unbedingt. ein Bergführer den Schlussmann bilden müssen und sich um die Leute kümmern müssen.

Zu den Entlastungsabständen:

Der Zwiespalt hat im Verfahrensverlauf zugenommen. Ich war im Gutachten der Meinung, dass die Gefahrenzeichen Neuschnee, Wind und tiefe Temperaturen, die Steilheit des Hanges derart offenkundig waren, dass aus lawinenkundlicher Sicht zumindest latent das Risiko erkannt hätte werden müssen.

Ich möchte das präzisieren: Bereits die erste Querung hätte mit Entlastungsabständen vorgenommen werden müssen. Logischerweise hätten diese beim Retourweg wieder aufgenommen werden sollen.

Die Bergführer hatten bereits Erfahrung durch Teilnehmer und Bergführer, die gequert haben, die nicht Entlastungsabstände eingehalten haben. Es ist daher sehr plausibel, dieses beim Rückweg auch nicht einzuhalten.

Nachdem dieser Test bereits erfolgreich verlaufen ist, ist die Frage, ob man hier den Umstand, dass Schneeschuhgeher noch dichter beieinander gehen, da sie keine Schier haben, berücksichtigen soll. Da diese damit die Belastung für die Schneefläche kleinräumig noch stärker erhöhen, als Schifahrer. Dieser Umstand wäre spekulativ und es war nicht zumutbar für die Bergführer, daran auf diese Art und Weise zu denken.

Zu den Entlastungsabständen:

Schnee kann auf einer bestimmten Fläche 100 kg aufnehmen, aber nicht ein Vielfaches davon. Die Geschwindigkeit und die Kraftaufbringung ist entscheidend. Ob ich darüber gehe, oder springe oder stürze. Bei Entlastungsabständen kommen wir aus dem Rhythmus heraus, der "Gleichschritteffekt" wird verhindert. Das dritte klassische Argument kommt hinzu, dass wir Schadensbegrenzung in diesem Falle haben, wenn etwas passiert.

Entlastungsabstände sind aber keinesfalls in die Klasse zu setzen, dass, wenn es gefährlich ist, man dann kein Schneebrett auslösen kann. Entlastungsabstände sind eine strategische Angelegenheit.

Wir haben kein Schwarz oder Weiß im Lawinenbereich. Da gibt es große Abstufungen, einen Grenzbereich, da sind Entlastungsabstände anzusiedeln. Das ist kein Allheilmittel, mit dem man allen Schneebretter entgehen könnte.

Zur zweiten Begehung des NW-Hanges:

(Der Sachverständige zeigt ein Bild, das vom Hubschrauber aus aufgenommen wurde). Die Position der Bergführer ist 2, 1 bis 6 ist die Gruppe L., 9 die Gruppe P., dann die restlichen Personen.

Was sich aus dem Lawinenbild ablesen läßt:

Eine Abrissbreite von ca. 40 m, ich war 24 h später dort. Am Lawinenkegel waren keine Schollen sichtbar. Es hat sich 100 %ig ein weiches Schneebrett gebildet und zwar durch Triebschnee, durch Wind. Es ergibt sich ein Höhenunterschied von 70 m. Eine Lawinenlänge von 90 m. Es könnte die Aussage des LORENZ (Anm.: Manfred Lorenz, Bergführer und Bruder des Hüttenwirts), dass er die Breite mit 120 m gemessen hat stimmen. Das fehlt bei der Erhebung. Das würde passen. Die Anrisshöhe war 30 bis 60 cm, die Gleitfläche und die Schaufel hat 20 cm Breite, ungefähr 30 cm Anrisshöhe.

Der Höhenunterschied ist 70 m. Die Steilheit wurde von mir mit einem Präzisionneigungsmesser gemessen, 38 bis 41 Grad an der steilsten Stelle. 20 bis 25 Grad betrug die Steilheit unten.

Zuerst haben sie sich pulkartig bewegt und später in die Spur eingereiht. Der Schneedeckenaufbau ist uninteressant. Interessant ist die Gleitfläche. Man sieht die Spuren, das sind Schuhspitzen, das ist Härte 4. Ich bin bei der Erhebung hinuntergerutscht. Das war sehr hart. In diesem Bereich haben sich Triebschneepolster angesammelt. In diesen 4 1/2 h sind noch zusätzliche Belastungen durch Wind geleistet worden. Diese Gleitfläche Härte 4 war natürlich ein Zusammentreffen idealer Eigenschaften für ein Schneebrett. Das war nicht vorhersehbar. Die Setzungsgeräusche lassen sich in keiner Weise übertragen.

Zu den Rettungsmaßnahmen:

Die Lawinenfernauslösung musste von den Bergführern fast ausgeschlossen werden, das konnte nicht erwartet werden. Die Gruppe muss von den Schneemassen mit großer Wucht getroffen worden sein. Das würde den Verdacht nahe legen, dass das fernausgelöst wurde. Diese Berichte deuten darauf hin, dass sich etwas gelöst hat, was mit großer Wucht die Gruppe getroffen hat.

Das andere Szenario wäre, wenn ich im Schneebrett bei Auslösung bin, zuerst weggleite und versinke und dann erst die Schneemassen kommen.

Zur Frage, ob es eine Selbstauslösung hätte sein könneng oder das Schneebrett fernausgelöst wurde:

Meine Bewertung war im Gutachten, dass mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass das Schneebrett von den Bergsteigern ausgelöst wurde. Das würde ich nach den jetzigen Erkenntnissen doch abschwächen. Ich sagte ,,mit hoher Wahrscheinlichkeit" das würde ich in "eher wahrscheinlich" ändern, dass das Schneebrett von den Bergsteigern ausgelöst wurde. Es gibt Anzeichen für eine Selbstauslösung, wenngleich für mich die Wahrscheinlichkeit einer Fernauslösung größer ist und zwar durch die Zusatzbelastung.

Mit Sicherheit läßt sich diese Frage nicht beantworten. Das kann von niemand beantwortet werden, nicht von der Physik und nicht von der Wissenschaft.

Zu den Rettungsmaßnahmen:

Die Situation war katastrophal, es ist nicht üblich, dass man vorher eine LVS-Suche den Tourenteilnehmern bis ins Kleinste beibringt. Diese drei Bergführer waren mit 14 Verschütteten konfrontiert, fast alle waren zur Gänze verschüttet. Bei 2 bis 3 waren Körperteile sichtbar. Hier waren auch die Teilnehmer trotz ihrer Erschöpfung in einer Verfassung mit höchster Leistungsfähigkeit. Sonst ist schwer nachvollziehbar, wie man innerhalb von 65 min, P. sah auf die Uhr und es war 14.35 Uhr, dadurch wurde das Ende genau festgehalten, dass 14 Menschen geborgen werden konnten, wobei Verschüttete bis zu 2 m tief lagen. 14 Verschüttete, 9 Tote ist sehr dramatisch, trotz dieser sehr sehr guten Rettungsleistung. Das hätte eine höhere Rettungsquote erwarten lassen. Auch der Zustand des Schnees, er war weich und flog weg. Das konnte man 24 h später noch nachvollziehen. Die Freilegungsarbeiten konnten sehr leicht und schnell von statten gehen.

Die Verteidiger beantragen eine Erörterungspause, dies wird von der Richterin abgelehnt.

Auf Vorhalt der Richterin an den Sachverständigen, dass er im Gutachten geschrieben hat, dass bei einem Großteil der Schneebrettlawinen eine Hangneigung knapp um 40 Grad gegeben ist:

Die typische Lawine hat eine Hangneigung von 38 Grad.

Auf Frage der Richterin nach der Einschätzung der Lawinengefahr:

Ein gespannter 3er ist weniger als 4, aber etwas mehr als 3 in Richtung 4.

Das läßt sich mit dem Risikopotential leichter erklären, wir haben schon einen gewaltigen Unterschied zwischen 3, das wäre 8 oder 4, das wäre 16. Ich habe das Risikopotential von 12 auf 10 korrigiert.

Auf Frage, ob es bei einem gespannten 3er grundsätzliche Verhaltensweisen gibt, die man einzuhalten hat:

In dieser Richtung versucht man mit ganz anderen Ansätzen zu arbeiten. In dem derzeitigen Paradigma gibt es das nicht. Es heißt, man muss hingehen und schauen, die Bergführer haben öfters gesagt ,,situativ" entscheiden und in den Schnee ,,hineinschmecken" wie man sagt. Sich das oberflächliche Bild anschauen. Die Windzeichen und die Neuschneemengen.

Das wird oft als Gefühl bezeichnet. Verallgemeinern kann man das nicht, bei einer bestimmten Gefahrenstufe. Ich habe die Entscheidungshilfe ,,stop or go" entwickelt.

Auf Frage, ob danach, bei Stufe erheblich, die Entscheidungsstrategie Verzicht auf 35 Grad oder mehr lautet:

Das ist die elementare Reduktionsmethode. Diese ist einfach, da muss nicht umständlich errechnet werden. Wie gesagt, bei Stufe 4 Verzicht auf 30 Grad, bei Stufe 3 Verzicht auf 35 Grad, bei Stufe 2 ist Verzicht auf über 40 Grad. Das ist ein Detail im ,,Stop or go".

Auf Frage, ob es einen bestimmten Grund dafür gibt, oder das nur ein Grundsatz ist:

In dem gegenständlichen Fall wird klar, wie bedeutend das für die Zukunft sein kann, inwieweit wir Vereinbarungen auf einer breiten Basis erstellen, weil wir mit der Einschätzung von Hängen begrenzt sind.

,,Stop or go" wurde das erste Mal im Dezember 1999 publiziert, deswegen der Paradigmawechsel. Munter gibt indirekt Hinweise auf Einhaltung von Entlastungsabständen. Diese Lawinenkunde kann man heute nicht als von breiter Basis akzeptierte anerkennen.

Auf Frage, ob die Steilheit und Form des Geländes ein wesentlicher Faktor ist:

Das Paradigma ist die Neigung und Exposition. Das war auch bisher bekannt. Das sind ja keine neuen Erkenntnisse nur neue Strategien.

Auf Frage, ob die meisten Schneebrettauslösungen bei diesen Hängen mit einer Neigung von 38 bis 40 Grad vorkommen:

Es gibt mehrere Untersuchungen aus der Schweiz. Wenn diese statistischen Werte auf diese Lawine übertragen werden, ist es fast genau diese Lawine, die typische Breite und Neigung. Das ist auch ganz neu, das wurde das erste Mal im März 2000 veröffentlicht.

Auf Frage, ob gesichert ist, dass diese Lawine aus dieser Rinne gekommen ist:

Das ist einwandfrei gesichert. Sie hat sich noch etwas darüber hinaus bewegt, über den linken Rand hinaus. Teilweise wurde die ganze Schneedecke abgetragen. Die größte Fläche war diese mit Härte 4.

Es war mit Sicherheit das Zusammenwirken von Wind und Neuschnee (30 cm), dies führte zu unter Umständen metertiefen Triebschneeansammlungen. Es wird schon sein, dass einmal jemand bis zur Brusttiefe eingesunken ist.

Auf Frage, ob man erkennen kann, dass sich in einer Rinne Triebschnee gesammelt hat.

Ja, das muss man erkennen, man erkennt das am ,,Hangausgleich", der Schnee fällt in Rinnen und Mulden. Der Wind verfrachtet den Schnee nicht nur über den Hang sondern auch entlang des Hanges.

Auf Frage, ob wenn man das erkennen kann und muss, es nicht dafür spricht, dass ein solcher Hang zu meiden ist:

Ich habe einzelne sogenannte Sicherheitszeichen recht ausführlich behandelt und bewertet.

Auf Frage, ob der Triebschnee in der Rinne nicht als Gefahrenzeichen erkennbar war:

Die Bergführer wurden immer wieder gefragt, welche Erfahrungen sie bei dieser ersten Querung gesammelt haben. Durchwegs kam die Meldung von lockerem Schnee. Ich habe darauf gewartet, dass jemand von Rissen und Schollen spricht, das war nicht der Fall. Es war nicht besonders tief. Der Eindruck setzt sich durch, dass der Hang ja kein Lee-Hang ist und Wind transportiert Schnee mehr oder weniger hinaus aus diesem Hang. Das fatale Zusammenwirken dieser Angaben ist, die erste Querung ist erfolgreich verlaufen.

Wie sehr die Rinne zugeweht war, konnte man nicht sagen. Kein Mensch kannte das Gelände vom Sommer her so, dass er sagen kann, ob es zwei oder drei Meter tief zugeweht ist. Man kann das dort feststellen, wo man selber geht. Man versucht selber zu entscheiden, ob es möglich ist, eventuell die höherliegenden Triebschneeansammlungen auszulösen.

Auf Vorhalt, dass die Bergführer sehr gute Ortskenntnisse hatten und die Tiefe der Rinne wissen müssten und sehen wieviel Schnee ist und auf Frage, ob man das errechnen kann:

Nein, errechnen kann man nichts. Es kann sein, dass der angesammelte Schnee sich total verfestigt hat, was ja so war. Es ist ein ganz subjektives Oberflächenbild, das man nur im Gelände trainieren kann zu erkennen. So ein Triebschneepolster hat eine bestimmte Farbe und Spannung. Es ist schwierig, die Entscheidung heute so darzulegen. B. sammelte seine Erfahrungen aus dem ersten optischen Eindruck dieses Hanges, der Oberflächenstruktur des Schnees, der Schneetiefe und der Einsinktiefe, dort wo er sich bewegt hat.

Auf nochmalige Frage, ob das immer identisch ist, der umgebende Schnee mit dem Triebschnee, dass auch von Seite des Triebschnees keine Gefahr drohen kann:

Sicher wird diese Übertragung gemacht worden sein. Es stimmt nicht immer. Der Unfall beweist, dass man hier irrt.

Auf Frage, ob es häufiger der Fall ist, dass man sich da irrt:

Das ist sehr selten der Fall.

Auf Frage, ob üblicherweise Triebschnee gleich zu werten ist, wie der umliegende Schnee:

Die Bergführer übertragen die Schneequalität auf den weiteren Hang.

Auf Frage, ob man das 1 : 1 auf solche Triebschneeansammlungen übertragen kann:

Wenn man diese als Rinne erkennt und den Hangausgleich berücksichtigt, wäre das ein Grund dafür, dass man diese Erfahrung nicht 1:1 übertragen darf. Man überträgt diese Schneequalität auf die Hangbereiche, die die gleiche Höhenlage und Exposition haben. Wenn sich das von Luv auf Lee ändert, darf man das nicht machen.

Auf Frage, ob das eine Rinne mit einem trichterförmigen Einzugsgebiet war:

Das könnte man so sagen, sehr unscheinbar.

Auf Frage, ob solche Rinnen besonders lawinengefährdete Geländeformen sind:

Grundsätzlich sind Rinnen bevorzugte Stellen für Triebschneeablagerungen, wo sich dieser ansammelt und daher ist die Gefahr groß. Ja, da muss mit der Gefahr von Triebschneebrettern gerechnet werden.

Auf Frage, in welcher Höhe sich das bewegt, wo der Wind besonders stark geblasen hat und die Bergführer B. und G. umgedreht sind:

In der Höhe von 2.500 bis 2.600 m, der Anriss der Lawine war auf 2.200 m, das war ca. 400 bis 500 in tiefer.

Auf Frage, bis zu welcher Höhe der Unfallhang geht:

Bis ca. 2.220 m, das ist das obere Ende dieser Rinne. Die Rinne läuft ja nicht durch, diese schließt sich wie ein Trichter und setzt auf diesen leichten Rücken auf (der Sachverständige zeigt das auf dem Bild). Es ist unglaublich leicht, dass man den Eindruck bekommt hier mit der Auslösung nicht in Berührung zu kommen. Selbst wenn ich die Rinne sehe und die Schneebeschaffenheit, dass sich das nicht übertragen läßt, ich rechne gar nicht damit, weil das Gelände so abgesetzt wird, als ob sich das nach oben nicht so fortpflanzen könnte.

Wenn sich diese Rinne durchziehen würde, und man die Spur weiter hinunter legen würde (der Sachverständige zeigt das auf dem Bild vor). Man dürfte das nicht auf diesen Teil übertragen. Sehr verführerisch ist die Vorstellung, wie sollte ich diese Rinne stören, bei diesen geringen Neuschneemengen. Es entsteht der Eindruck, dass hier dieser leicht ausgeprägte Rücken mich vor diesem Bereich schützt, insofern wäre eine Auslösung sehr unwahrscheinlich.

Auf Frage, wenn sich inzwischen das Wetter dramatisch verändert hat, der Sturm im Bereich wo B. und G. den Umkehrpunkt zeigten, sehr stark war und beim Zurückgehen der Wind schwächer geworden ist, hat man nicht damit rechnen können, dass sich weiter oben etwas getan haben könnte:

Auf jeden Fall. Aber hier sind es nur 60 bis 70 m Höhenunterschied.

Auf Frage, ob man von der Witterung her sagen kann, dass es oben mehr stürmt:

Nicht wesentlich. Ich gehe nicht davon aus, dass in dieser Zeit, als oben der Sturm war, es unten windstill war. Das entscheidende Argument bei der Bewertung war die sichtbare Spur. Hier war die Spur noch frisch. Die noch sichtbare Spur war als ein Hinweis dahingehend zu werten, dass Verfrachtungen von Triebschnee in diesem Hang nicht so dramatisch waren, dass sie eine neuerliche Entscheidung erfordert hätten.

Auf Frage, wenn man unten am Hang die Spur sieht, kann man darauf schließen, dass der Sturm nicht so dramatisch war, dass sich wesentliches verändert hat, kann man wenn man die Spur sieht, davon ausgehen, dass es oben im Bereich der Rinne sich genausowenig verändert hat:

Ja.

Auf Frage zur Neuschneemenge, B. hat angegeben am 27.12. zwischen 30 und 35 cm und dann noch einmal 10 cm, das sind zwei Tage, wir haben aber drei Tage:

Die erste Angabe bezieht sich auf die 48 Stunden, rückwirkend bis zum 26.12.

Auf Vorhalt der zahlreichen Aussagen von knietief bis teilweise hüfthoch:

Hüfthoch und Brusthöhe kann man streichen.

Auf Vorhalt der Aussagen, dass es am 27.12 knietief war und am 28.12. Neuschnee dazukam, wenn man davon ausgehen würde, es wären vielleicht 50 cm und auf Frage, ob das einen Unterschied macht in der Bewertung des Gutachtens:

50 cm würden keine wesentliche Änderung ausmachen. Ich habe die Aussagen der Zeugen schon sehr ernst genommen. Ich musste das relativieren.

Auf Frage, ob ich anhand des Bildes die Neuschneemenge schätzten kann:

Man kann gewisse Sachen ausschließen, z. B. dass es einen Meter Neuschnee gemacht hat.

Z. B. wie der Altwirt es genannt hat, wenn er Leuten geraten hat, auf Touren zu verzichten. Kleine Unterschiede von 30 bis 35 cm kann man nicht sagen.

Auf Frage, wenn Entlastungsabstände eingehalten worden wären, ob man dadurch das Unglück hätte verhindern können:

Das kann man nicht sagen. Die Kausalität zum Lawinenabgang ist unmöglich herzustellen. Das war für mich grundsätzlich als Sorgfalt der Bergführer zu werten. Das Verhalten von B. war vorbildlich. Das bestärkt bei mir die Ansicht, dass bei der ersten Querung Entlastungsabstände die angemessene Begehungsart dargestellt hätten. Die Praxis hat gezeigt, dass ich falsch liege. Diese 7köpfige Gruppe von L. und die Schitourengruppe von S., das hat sich bewährt. Dieses Vorne-dran-sein hat den Vorteil, dass ich selbst neue Erkenntnisse bekomme. Da habe ich nicht die ganze Gruppe hinter mir und habe den Spielraum neue Einsichten umzusetzen. Das ist ein strategisches Argument, diese Entlastungsabstände.

Auf Frage, ob ich beim Lokalaugenschein des Schneebrettes die Breite gemessen habe:

Nein. Ich hatte Probleme, den Lawinenkegel zu erkennen. Die Sicht war schlecht. Das Schneebrett war so weich, dass die typische Schollenbildung nahezu nicht vorhanden war. Das hätte ich nicht durchführen können. Das habe ich der Alpingendarmerie überlassen.

Auf Frage, wie die große Härte entsteht:

Darüber kann man spekulieren. Bis einschließlich 24.12. war eine lange Zeit winterlichen Hochdruckeinflusses und Inversionslage. Es war relativ mild. Natürlich hat sich im November/Dezember Triebschnee angesammelt. Wahrscheinlich hat sich das in dieser Zeit setzen können, dazu kommt der Winddruck. Ich bin mit der Thesenbildung überfordert.

Auf Frage nach extrem labilen Triebschneeansammlungen:

Das ist eine Gefahr, mit der man rechnen muss.

Der Verteidiger RA Dr. Beulke erhebt sich und bittet um eine Unterbrechung der Verhandlung, weil er auf die Toilette muss und verläßt.

BESCHLUSS

Auf Unterbrechung der Hauptverhandlung für ca. 5 Minuten (von 16.20 Uhr bis 16.25 Uhr).

Auf Frage des Staatsanwaltes nach der zweiten Querung des NW-Hanges, ,,die Bergführer kommen hin, die Sicht ist diffus und schlecht, sie können die Rinne nicht einsehen, darf man da queren, ja oder nein":

Dann würde ich die Bewertung gleich vornehmen.

Auf Frage des Staatsanwaltes, ob sie auch dann queren dürfen:

Es wäre die gleichlautende Bewertung, wenn die Rinne nicht einsehbar wäre. Diffuses Licht war immer. Das Argument der noch sichtbaren Spur bekommt noch mehr Gewicht. Dann ist das das einzige Argument, das diese Entscheidung noch rechtfertigen kann, während in meiner eigenen Ansicht noch andere Argumente eine Rolle spielen.

Auf Frage des Staatsanwaltes, ob es eine Rolle spielt, ob man in dieser Rinne Triebschneeansammlungen erkennen kann:

Die Bergführer wussten immer, dass hier auch Triebschnee sein muss. Die Frage ist, wie sie die Ansammlungen bewertet haben hinsichtlich der Menge und der Labilität. Jede Rinne im Hochgebirge ist von November bis Mai mit Triebschnee gefüllt. Es kommt auf die Menge und den Untergrund an, darauf wie frisch der Triebschnee ist, ob ich diese Ansammlungen von meiner Position aus stören kann oder nicht.

Auf Vorhalt des Staatsanwaltes, dass ich die Bewertung nicht vornehmen kann, wenn ich die Rinne nicht einsehe:

Eine Anhäufung von Triebschnee wäre überhaupt nicht sichtbar gewesen. Ob diese Rinne 20 bis 30 cm mehr hat als am Morgen ist nicht erkennbar auch nicht bei besserer Sicht. Man kann von dieser Entfernung derartige Unterschiede nicht wahrnehmen.

Auf Frage des Staatsanwaltes, ob man sagen könnte, ob die Rinne voll ist oder nicht:

Bei guter Sicht und gutem Licht kann man die Spannung sehen.

Auf Frage des Staatsanwaltes, wenn man das nicht sehen kann, weil die Witterung zu schlecht ist, warum man dann nicht den sicheren Weg geht:

Das ist nicht möglich, hier noch eine andere Entscheidung zu treffen, nach dieser Geschichte. Trotzdem zu queren ist gerechtfertigt.

Auf Frage des Staatsanwaltes, ob es einer übermenschlichen Leistung bedürfte, den sicheren Weg zu gehen:

Nach diesen Informationen, wenn ich davon ausgehen, dass ich in der Früh in der Rolle eines Teilnehmers bin und diese Vorinformationen habe - ich behaupte, sie haben keine Chance zu einer anderen Entscheidung zu kommen., wenn Hinweise da sind, dass sich offensichtlich an dieser Stelle nichts oder wenig geändert hat.

Auf Vorhalt des Staatsanwaltes, dass dieser Umweg nur 5 oder 10 min lang wäre:

Ja, in gewissem Sinne wäre das schon eine übermenschliche Leistung, als Entscheidung, nicht als körperliche Leistung. Es ist wie in einem Paradigma, immer auf Erkennbarkeit hin und nicht auf Standards. Man könnte sich einigen, man geht bei Stufe 3, grundsätzlich keinen Hang mit 30 Grad, das wäre eine standardisierte Verhaltensvorgabe. Beim LVS-Gerät ist das so. Das gibt es im Entscheidungsbereich nicht. Man muss hinschauen und entscheiden, situativ entscheiden. Ich halte das schon für überholt. Das gehört aber nicht hierher.

Auf Frage der Richterin, ob das bei der Ausbildung gelehrt wird, situativ zu entscheiden:

Das zu 95% diese Ausbildung ist klassisch, dass der erste Bergführerkurs mit der Muntermethode formell konfrontiert wurde, das war im Jänner 1998. Zum ersten Mal hat ein Bergführer in seiner Ausbildung etwas von der Risikoformel gehört.

Auf Frage des Privatbeteiligten Röckrath, ob das auch in der Hinsicht gilt, dass das die einzige Entscheidung war, wenn pulkartig 24 Personen statt 8 oder 11 Personen den Hang queren:

Die Entscheidung der Spur zu folgen steht. Die Unsicherheit ist bezüglich der Entlastungsabstände. Ich gehe davon aus, dass beim Hin- und Rückweg Abstände hätten eingehalten werden sollen. Dieser Hang war erfolgreich getestet. Bei Einhalten von Abständen wäre P. verschüttet gewesen und hätte nicht bei der Bergung helfen können. Es ging so verrückt zu, dass sogar ein Fehler ein Vorteil war. Sie haben das vorher nicht wissen können.

Nicht einmal, wenn sie die Entlastungsabstände eingehalten hätten, da hätten 12 Leute Platz, nicht einmal dann wäre der Effekt der Schadensbegrenzung gegeben gewesen. Bei einer Breite von 123 m.

Auf Frage des Privatbeteiligten Röckrath, ob es wahrscheinlich ist, dass die Auslösung durch die Gruppe erfolgte:

Im Gutachten habe ich das bereits angeführt, dass ich eine Selbstauslösung nicht ausschließen kann. Mit höherer Wahrscheinlichkeit ist es von der Gruppe ausgelöst worden. Jetzt sehe ich die größere Wahrscheinlichkeit, dass die Zusatzbelastung zur Auslösung führte, als eine Spontanauslösung.

Auf Frage des Privatbeteiligten Röckrath, was mich zu dieser Abschwächung bringt:

Einmal, dass es hier offensichtlich doch eine Fernauslösung war, weil die Menschen plötzlich überrollt wurden. Dann dieses abgesetzte Gelände, das bei mir doch Zweifel aufgekommen lässt, ob hier auf diese Distanz eine Auslösung durch die Gruppe möglich war, nach dieser erfolgten Belastung.

Ich will da vorsichtig sein. Das Szenario läßt sich ausbauen. Was, wenn ich Abstände hinauf und hinunter mache und es passiert nichts, das wäre ein Szenario. Es könnte trotzdem passieren, die Schadensbegrenzung wäre fast 0, vielleicht wären 1 oder 2 Personen weniger erfasst worden.

Interessant wäre, was es heisst, wenn Schneeschuhgeher hintereinander gehen. Es war hier etwas ganz an der Grenze, eine kleine Zusatzbelastung hat ausgereicht. Da gibt es bisher keine Erkenntnisse, ich kenne keine, zu Schneeschuhwanderern.

Zum Beweisantrage, den ich bekommen habe, wird angeführt, dass wenn 3 m Entlastungsabstände eingehalten werden, der gleiche Effekt entstehen würde wie bei 10 m. Ich habe gehört, Jürgen Schweizer, ein Lawinenforscher aus der Schweiz soll an so etwas arbeiten. Zu diesem Thema gibt es aber noch keine Veröffentlichung.

Auf Frage der Richterin, ob wenn auch Abstände von 10 m eingehalten worden wären, die Opferbilanz nicht anders gewesen wäre:

Bei einer Breite von 120 m haben 13 Menschen Platz.

Auf Frage des Privatbeteiligten Röckrath, ob ich Bedenken gehabt hätte, wenn keine Spur sichtbar gewesen wäre:

Die Sicherheit mit der ich die Frage jetzt beantworte, wäre nicht mehr gegeben. Es wäre durchaus denkbar, wenn dieses Argument fehlt, wenn ich keine Spur habe, würde ich sicher zu dem Schluss kommen, dass die Bergführer mit anderen Verhältnissen rechnen mussten, mit Triebschneeansammlungen kann sich die Situation in grob 5 Stunden verschärfen. Es hätte die andere Route wohl erzwingen müssen, unter diesen Voraussetzungen.

Auf Frage des Verteidigers RA Dr. Beulke, ob sich die Frage der Auslösung der Lawine mit Sicherheit weder von Physik noch Wissenschaft erklären lässt:

Das kann man nicht beantworten.

Auf Frage des Verteidigers RA Dr. Beulke, ob die Einschätzbarkeit der Lawinengefahr durch eine nachträglichen Beurteilung eine schwierige Sache ist:

Die nachträgliche Beurteilung ist schwierig. Es ist schwierig, in diese ex ante Position zu kommen, das ist situationsbezogen. Ich fühle mich momentan durch die ganzen Informationen und die intensive Auseinandersetzung durchaus so, als hätte ich da teilgenommen. Ich habe versucht, da hineinzuschlüpfen. Da war dieses erleichtert sein, die Hütte war zu sehen und die Spur war zu sehen. Das ist für mich konsequent ex ante.

Auf Frage nach der Hotspot-Problematik, Gutachten S.24:

Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen, die Tatsache der ersten Querung von 43 Personen, von drei verschiedenen Spuren über den Hang:

Für mich sind nur zwei Gruppen relevant, die anderen Gruppen kann man nicht als Belastungstest des Hanges ansehen. Die ist für mich kein Belastungsbeweis. Ein echter Test war die Gruppe von S. mit insgesamt 12 Personen und noch eine Gruppe, am deutlichsten die Gruppe von L. Die anderen Gruppen sind kein Entlastungsbeweis, weil mir die Nähe zum Auslösepunkt fehlt.

Auf Frage des Verteidigers RA Dr. Beulke, um wie weit die unteren Gruppen vom Auslösepunkt entfernt waren:

Schon deutlich.

Es war ein Unterschied von 20 m zwischen den beiden Spuren.

Auf Frage des Verteidigers RA Dr. Beulke Privatbeteiligten Röckrath welche Distanz ich von der oberen Spur schätzen würde:

100 m ca., 60 Höhenmesser, 100/110 m. 7

Auf Fragen des Verteidigers RA Dr. Beulke Privatbeteiligten Röckrath, ob 20 % weit entfernt ist:

Ja.

Auf Frage des Verteidigers RA Dr. Beulke Privatbeteiligten Röckrath, ob diese Spuren noch den Hang queren:

Ganz am Hangfuß ist es noch flacher als die Spur von L. Die Gefahr von Hotspots wächst mit der Hangneigung, da kann man am Hangfüß schon noch Schneebretter auslösen.

Auf Frage, ob diese Gruppe schon ein Schneebrett hätte auslösen können:

Ja.

Auf Frage, was sich aus der Querung des Hanges von 43 Personen für eine Schlussfolgerung ergibt:

Eine positive Schlussfolgerung.

Auf Frage des Verteidigers RA Dr. Beulke Privatbeteiligten Röckrath, ob es Erkenntnisse des Fachmannes SCHWEIZER oder seinem Institut über die typische Schifahrerlawine gibt, wenn irrlich durch Schifahrer eine Lawine ausgelöst wird, auf welchem Punkt am Hang er sich da befmdet, ob 90 % der Schifahrerlawinen oder Schneebretter vom ersten Schifahrer ausgelöst werden:

Ja.

Auf Frage des Verteidigers RA Dr. Beulke Privatbeteiligten Röckrath wenn man dies berücksichtigt, welche Aussagekraft hat die Querung von 9 Personen, ohne, dass etwas passiert ist:

Das würde jetzt wieder in die Richtung gehen, dass die Selbstauslösung wahrscheinlich ist. Überlegungen haben mich dahingehend gebracht, die Wahrscheinlichkeit der Selbstauslösung etwas zu prüfen.

Man kann genausogut die Szenerie durchspielen, dass vorne alle Schitourengeher gehen und 20 m-Abstände haben und dann kommen die Schneeschuhgeher. Gerade dieses im Zusammenhang mit 10 bis 15 Leuten im Gleichschritt hat genau diesen Zusatzimpuls für das Schneebrett gesetzt. Das ist eine Hypothese, die gleichwertig mit ihrer ist.

Auf Frage des Verteidigers RA Dr. Beulke Privatbeteiligten Röckrath, ob ich bei der Erstellung meines Schneeprofiles konkrete Anhaltspunkte für Triebschnee hatte:

Ja, auf dieser alten Schneedecke in Härte 4 war zunächst eine dünn aufgebaute Schicht, darüber eine verfestigte Schicht in Härte 3 und ein Triebschneepolster von ca. 30 bis 40 cm an der Aufnahmestelle.

Auf Vorhalt des Verteidigers RA Dr. Beulke Privatbeteiligten Röckrath, dass man bisher von einer Neuschneemenge in dieser Größe hörte:

Das ist eigentlich nicht so schwer zu verstehen, dann wenn diese 30 cm gebunden sind und die Härte 1,5 aufweist. Das ist genau die Mächtigkeit, die man allgemein hatte, nur gebundener Schnee.

Das Schneeprofil war oben, der Anriss war nicht so leicht zu finden. Das war etwas hinten, im Flachen in dieser Mulde. Das war vermutlich um ein vielfaches mehr. Man kann nicht daran rütteln, dass das ein weiches Schneebrett war, das war eines aller erster Güte.